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Arbeitszeitbetrug bei unbezahlten Überstunden

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg musste über den Fall einer verhaltensbedingten Kündigung ent-scheiden, Az.: 15 Sa 407/12. Ein Mitarbeiter hatte sich an vier Tagen während der Arbeitszeit vom Betriebsgelän-de entfernt, ohne sich auszustempeln. Als dem Arbeitgeber das auffiel, kündigte er dem Arbeitnehmer außeror-dentlich, hilfsweise ordentlich.

Wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle verlässt, kann er seine geschuldete Arbeitsleitung nicht erbringen. Informiert er den Arbeitgeber nicht über die Fehlzeit oder nutzt die Möglichkeit, sich auszustempeln und nimmt die arbeitsvertragliche Vergütung auch für die Fehlzeiten entgegen, erfüllt das im Grunde den Tatbestand des Betru-ges nach § 263 StGB. In einem solchen Fall wäre der Arbeitgeber berechtigt, außerordentlich, also fristlos zu kündigen.

Doch ob der Fall eines Betruges vorliegt, ist Einzelfallabhängig. Für einen Betrug ist nämlich auf der einen Seite die Handlung des Täters in Form einer Irrtumserregung beim Geschädigten und auf der anderen Seite eine aus dem erregten Irrtum resultierender Vermögensabfluss beim Geschädigten erforderlich. Und diese Voraussetzun-gen lagen im vom Landesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht vor.

Hintergrund dieser Entscheidung ist eine Regelung im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet war, im Monat zehn unbezahlte Überstunden zu leisten. Addierte man nun die schon im entsprechenden Monat ange-fallenen Überstunden mit den nicht gestempelten Fehlzeiten des Arbeitnehmers ergab sich, dass die arbeitsver-traglich geschuldeten zehn Überstunden noch nicht erreicht waren. Der Arbeitnehmer hatte also nicht weniger gearbeitet, als er vertraglich geschuldet hatte. Dem Arbeitgeber war mithin kein Schaden entstanden.

Damit fehlte der für die Annahme eines Betruges erforderliche Vermögensnachteil beim Arbeitgeber. Der Grund für eine außerordentliche Kündigung war entfallen und diese mithin unwirksam.

Der Arbeitgeber hatte vorsorglich auch ordentlich gekündigt. Doch auch diese Kündigung ging nicht durch. Zwar hatte sich der Arbeitnehmer von der Arbeitsstelle entfernt ohne sich auszustempeln. Das aber stellt nur eine Ver-letzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die erst dann zur Kündigung berechtigt, wenn zuvor eine Abmahnung ausgesprochen worden wäre. Da eine Abmahnung zuvor unstreitig nicht ausgesprochen worden war, war damit auch die ordentliche Kündigung unwirksam.

Der Arbeitgeber war in diesem Fall also in jeder Hinsicht unterlegen.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo